Der Gesetzentwurf zur Neuregelung des Hochschuldienstrechts und des Hochschulrahmengesetzes (HRG) hat tiefgreifende Änderungen an Hochschulen und Forschungsinstituten zum Ziel. Das Gesetz hat Ende 2001 den Bundestag und den Bundesrat passiert und es tritt damit auf Bundesebene nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten in Kraft. In einem Zeitraum von drei Jahren folgt dann die Umsetzung auf Länderebene.

Das neue HRG sieht die Einführung von Juniorprofessuren zur Förderung des zukünftigen wissenschaftlichen Nachwuchses vor. Schon 2001 wurden im Rahmen von Modellprojekten an einigen Universitäten Juniorprofessuren ausgeschrieben. Eine Förderung des weiter fortgeschrittenen akademischen Nachwuchses, der lehrerfahren und bereits mit der Habilitation befasst bzw. habilitiert ist, ist nicht geplant. Statt dessen soll die Finanzierung der 6 000 einzurichtenden Juniorprofessuren kostenneutral durch die Abschaffung aller 4000 C2-Stellen (Oberassistenzen und Hochschuldozenturen) und eines Teils der C1-Stellen (Assistenzstellen) vorgenommen werden. Die auf 4-6 Jahre befristeten C2-Stellen dienten bisher zur Existenzsicherung für habilitierte WissenschaftlerInnen, die diese als Sprungbrett nutzen konnten, um sich auf freiwerdende C3- oder C4-Stellen zu bewerben.

Die Bundesregierung hat im neuen HRG außerdem eine Höchstbefristungsdauer von 12 Jahren für befristete Arbeitsverträge eingeführt. Im §57 b des HRG wird festgelegt, dass WissenschaftlerInnen maximal 12 Jahre mit befristeten Arbeitsverträgen an Hochschulen und staatlichen Forschungsinstituten angestellt sein dürfen. Damit wird sowohl einer großen Anzahl von hochqualifizierten wissenschaftlichen MitarbeiterInnen in Drittmittelprojekten und Sonderforschungsbereichen als auch einer grossen Zahl von Habilitierten, die sich von einer Projektstelle aus auf eine Professur bewerben, praktisch ein Berufsverbot erteilt. Diese Neuregelung stellt nicht nur den wissenschaftlichen Nachwuchs vor die Alternative Ausland oder Arbeitslosigkeit, sondern gefährdet den Wissenschaftsstandort Deutschland in hohem Maße!

Die InitiatorInnen von wissenschaftlichernachwuchs.de weisen in ihrem ausführlichen Kommentar darauf hin, dass es nicht Sinn der Reform sein kann, die Förderung des zukünftigen wissenschaftlichen Nachwuchses auf Kosten des gegenwärtigen Nachwuchses durchzuführen. Die InitiatorInnen warnen ausserdem vor den katastrophalen Folgen der neuen Höchstbefristungsdauer für die Forschung in Deutschland. 

Die Stellensituation für den sich habilitierenden und habilitierten wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland spitzt sich durch das neue HRG deutlich zu: Für eine derzeit an ihrer Habilitation arbeitende Wissenschaftlerin wird es nach Abschluss ihres Habilitationsverfahrens keine C2-Stelle mehr geben. Und wenn die Wissenschaftlerin insgesamt 12 Jahre (davon 6 Jahre nach der Promotion) in befristeten Arbeitsverträgen an der Hochschule oder einem Forschungsinstitut angestellt war, entfällt auch die Möglichkeit, ein eigenes Forschungsprojekt zu beantragen und sich von dort aus auf eine freiwerdende Professur zu bewerben. Darüber hinaus ist als Folge der neuen leistungsbezogenen Besoldung von Professoren damit zu rechnen, dass einige der in den nächsten Jahren freiwerdenden C3- und C4 –Stellen nicht als W2- oder W3-Stellen zur Ausschreibung kommen, sondern gestrichen werden oder zur Juniorprofessur (W1 befristet) heruntergestuft werden. Auch dieser Nebeneffekt der Reform wirkt sich negativ auf den gegenwärtigen wissenschaftlichen Nachwuchs aus. Der Brain Drain junger und hochqualifizierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ins Ausland wird sich unter diesen Bedingungen nicht nur fortsetzen, sondern sogar noch verstärken!

Besonders problematische Folgen des neuen HRG zeichnen sich in einigen kulturwissenschaftlichen Fächern ab. Hier gibt es einen enormen Überhang an hochqualifiziertem Nachwuchs, der durch die Reform nun zusätzlich in Bedrängnis gerät. Zur Lösung dieses Problems wäre die Ausschreibung von W2-Stellen für hochqualifizierte Habilitierte eine kostengünstige Übergangsregel. Nach dem Vorbild der "Fiebiger-Professuren" könnten diese Stellen unbefristet und personengebunden, aber ohne Ausstattung vergeben werden. Die Professur verschwindet dann aus dem Haushalt, sobald die geförderte Wissenschaftlerin oder der geförderte Wissenschaftler auf eine vollwertige Professur wechselt.

Die Initiative wissenschaftlichernachwuchs.de fordert daher vom BMBF und den entsprechenden Länderministerien:

  • die sofortige Rücknahme der 12-Jahres-Regel
  • keine Streichung, sondern Überführung der C2-Stellen in W2-Stellen
  • vermehrte Einrichtung von unbefristeten Mitarbeiterstellen
  • Einrichtung von Förderprofessuren für hochqualifizierte NachwuchswissenschaftInnen nach dem Fiebiger-Modell
Wir hoffen, dass das Bundesministerium und die Länderministerien auf die geschilderte Problemlage reagieren und ein gezieltes Förderprogramm für die Übergangsgeneration entwickeln. Durch ein solches Förderprogramm würde es möglich, der Wissenschaft in Deutschland bereits heute einen nachhaltigen Innovationsschub zu geben.

Um dies zu erreichen, wendet sich der wissenschaftliche Nachwuchs in Deutschland mit einer Resolution an die Öffentlichkeit und das BMBF und die Länderministerien. Die Resolution wurde bis zum Abschluss der Aktion am 16.09.02 von 10.207 Betroffenen unterschrieben. Damit hat sich fast der gesamte wissenschaftliche Nachwuchs in Deutschland geschlossen gegen die Hochschulpolitik der Bundesregierung ausgesprochen.

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